Digitaltraining an der Montessorischule Vilshofen (Vilshofener Anzeiger vom 18.01.2022 – Langversion)
„Der Schlüssel sind die Eltern“
Seit der Corona-Krise verbringen viele Kinder und Jugendliche so viel Zeit mit Smartphone & Co im internet wie noch nie.
Welche enormen Risiken birgt die digitale Welt und wie können die Chancen der neuen Medien möglichst gefahrlos und sinnvoll genutzt werden?“
Zu diesen brisanten Fragen konnte der „Arbeitskreis Prävention“ an der Montessorischule Vilshofen den renommierten Digitaltrainer und Medienpädagoge Daniel Wolff gewinnen, und organisierte einen „Digitaltag“ mit Workshops für Schüler*innen, Pädagog*innen und Eltern.
„Sicherheits-Training“ für Schüler*innen:
Der Vormittag gehörte den ca. 170 Kindern und Jugendlichen der Montessori Schule. Getrennt nach Jahrgangsstufen unternahmen der Digitaltrainer Daniel Wolff und seine Kollegin Frau Dr. med. Weiss mit jeder Altersgruppe ein „Smartphone-Training“ mit dem Titel „So macht Dein Handy Dich schlau und glücklich (statt dumm, krank, faul und traurig)!“
„Jede Diskussion über digitale Medien muss mit der Perspektive der Kinder beginnen: Was finden sie toll? Warum sind sie online?“ Mit dieser Haltung gewann Referent Daniel Wolff, selbst Vater von drei Kindern bei den Montessori Schüler*innen schnell Vertrauen: „Alles, was ihr mir heute anvertraut, bleibt in diesem Raum!“. Schnell wurde deutlich, dass auch schon die Grundschulkinder als „Digital Natives“ aufwachsen, also in eine Welt mit Internet und den dazugehörigen Endgeräten hineingeboren werden und sich z.T. besser auskennen als ihre Eltern. Die Kinder waren natürlich mit Begeisterung dabei, als Herr Wolff sich mit den Kindern über ihre beliebten Onlinespiele austauschte. Aber auch, als der erfahrene Digitaltrainer mit den Kindern die Gefahren der Smartphone-Nutzung erarbeitete, bekam er volle Aufmerksamkeit. Im „Allheilmittel gegen Langeweile“, dem Smartphone, finden leider auch Inhalte den Weg ins Kinderzimmer, die alles andere als harmlos sind. Szenen mit brutaler Gewalt oder Pornographie werden durchaus auch mal „zum Spaß“ über den einen oder anderen Chat weiterverbreitet.
Auch Cyber-Mobbing, gefährliche Mutproben und sexuelle Belästigung (Cyber-Grooming) betreffen alle Altersstufen. Durch die angeborene Neugierde der Kinder und Jugendlichen erkunden sie auch die dunklen Seiten des Netzes, da diese ebenso wie harmlose Inhalte frei zugänglich sind.
„Der einzige wirksame Kinder- und Jugendschutz im Internet sind Eltern, die mit Interesse und Empathie aber auch mit klaren Regeln und Einschränkungen die Kinder zu verantwortungsvollen Digitalnutzern erziehen“. (Daniel Wolf)
Laut der Postbank-Jugend-Digitalstudie für 2021 sah sich ein Drittel der Jugendlichen bereits einmal in einer Cyber-Grooming-Situation. Den etwas älteren Jugendlichen ist durchaus bewusst, dass das Internet auch krimineller Tummelplatz sein kann. Sich im Dschungel aus Falschnachrichten, Werbung und Sensationen im 15-Sekunden-Takt zurecht zu finden, ist für sie bereits eine riesen Herausforderung.
Das Dilemma, dass Kinder und Jugendliche gerade nach belastenden Erfahrungen im Internet sich oft nicht trauen, sich an ihre Eltern zu wenden, kennt Wolff nur zu gut und versprach, bei den Eltern für „Unterstützung statt Bestrafung“ zu werben.
Am Ende der Workshops gab es sofort umsetzbare Tipps, wie die Kinder und Jugendlichen selbst in ihrem Smartphone für mehr Datenschutz und Sicherheit sorgen könnten. Wichtig sei es, dass die Eltern im Vorfeld gemeinsam mit dem Kind Regeln festlegen und sich mit den Inhalten auf den Geräten und den Interessen ihrer Kinder auseinander setzen.
Und ganz wichtig: Die Kinder müssten ihren Eltern beibringen, selbst ein gutes Vorbild zu sein. „Sagt heute zu Euren Eltern: Mama, Papa, kein Smartphone im Schlafzimmer!“, gab Herr Wolff den Kindern als letzten Ratschlag mit.
„Social Media Update 2023“ für Pädagog*innen
Auch im anschließenden Workshop speziell für die Pädagog*innen war das Fazit, dass Kommunikation, Vertrauen und Verständnis zwischen Eltern, Pädagog*innen und Kindern entscheidend seien, den Schattenseiten der digitalen Welt zu begegnen. In einem kurzen „Crash-Kurs“ wurden die ca. 20 Lehrkräfte über die aktuellen Apps sowie das Medienverhalten der Kinder/ Jugendliche informiert. Folgende Fragen wurden dabei diskutiert: Was bedeutet die intensive Smartphone-Nutzung vieler Kinder für die Schulen? Sollten sich Klassenlehrer darum kümmern, was im Whatsapp-Klassenchat passiert? Und welche Rechte haben Lehrkräfte dabei überhaupt – oder sind die Eltern alleine für alles verantwortlich?
Elternabend „Smartphone-Überlebenstipps für Eltern“
Quasi als „Höhepunkt des Digitaltages“ wandte sich Daniel Wolf an die Gruppe, der er die wichtigste Rolle für einen verantwortungsvollen Umgang in der digitalen Welt zuschreibt: den Eltern. Die emotionale Betroffenheit ist in den Familien sehr hoch. Die (oft nervtötende) Diskussion um die „richtige“ Smartphone-Nutzung ist oftmals Streitthema Nummer 1.
Viele Eltern haben wenig Einblick in die digitale Lebenswelt ihrer Kinder.
Um zu erkennen, was Kinder speziell an Smartphones so attraktiv finden, entführte der Medienpädagoge die Eltern in die digitale Lebenswelt ihrer Kinder und offenbarte manchen damit völlig neue Erkenntnisse. Seine große Sorge sei es, dass einige Kinder von ihren Eltern keinerlei Begleitung, Regeln oder auch Infos über nicht altersgemäße Inhalte und andere Risiken im Internet bekommen. Dies nennt er den „medienerzieherisch blinden Fleck“ und hofft, dass die nächste Generation an Eltern ihre Kinder diesbezüglich aufmerksamer erziehen würde, „da diese besser wüssten, was im Internet abgeht und wie groß und gefährlich diese Faszination für Kinder und Jugendliche ist.“
Ein Smartphone im Kinderbett kann zu ausgeprägtem Schlafmangel führen
Eine ähnliche elterliche Unbekümmertheit gelte für das zeitliche Ausmaß der Nutzung digitaler Medien. Viele Kinder/Jugendliche dürften das Smartphone sogar nachts im oder am Bett behalten. Das ist laut Wolff eine ausgesprochen bedenkliche Entwicklung, denn nachgewiesenermaßen schlafen die Kinder und Jugendlichen heute weniger und schlechter als noch vor wenigen Jahren. Kein Wunder: Wer etwa durch eine Auseinandersetzung im Klassen-Chat oder ein nicht altersgemäßes Video emotional aufgewühlt ist, schlafe nun einmal schlechter. Müdigkeit und Konzentrationsschwächen seien die Folge.
Viele Erwachsene (er)kennen die Gefahren von Cybermobbing nicht
Ein „trauriger Trend“ ist derzeit das sogenannte „Cybermobbing“, also das absichtliche Beleidigen, Belästigen oder Bedrohen von Personen (z.B. Mitschüler*innen) im Internet – wie es derzeit an nahezu allen Schulen in Deutschland ein großes Thema ist. Viele Erwachsenen ist dabei nicht klar, welche extreme soziale Wucht Cybermobbing entwickeln kann und dass z.B. Depressionen und Aggressionen davon Folgen sein können. Auch hier helfe nur, sich zunächst selbst zu informieren und seinen Kindern dauerhaft und genau zuzuhören. Im Falle eines Falles geht es darum, die Kinder intensiv zu unterstützen – und nicht wie von vielen Schüler*innen befürchtet, das Smartphone abzunehmen.
Eltern und Kinder sollten die Chancen der digitalen Zukunft gemeinsam diskutieren
Wegsperren ist aber ohnehin keine gute Lösung: Der Ex-Silicon-Valley-Korrespondent Wolff führte eindrucksvoll aus, welch enormes Potential neue digitale Technologien wie Big Data, Virtual Reality oder 3D-Druck für unsere Gesellschaft und Wirtschaft haben werden – so dass man sich im Interesse der Kinder auch selbst für digitale Trend-Themen interessieren sollte. Dann fällt es auch leichter, den bei Digitalthemen oft stockenden Kommunikationsfluss zwischen Eltern und Kindern wieder in Gang zu bringen. Feste Regeln (siehe www.mediennutzungsvertrag.de) helfen beiden Seiten. Auch Webseiten wie www.klicksafe.de, www.medien-sicher.de oder www.handysektor.de geben Tipps zur Medienerziehung.
Langer Applaus der Eltern und ein großes Dankeschön von Seiten der Montessori Schule an den Referenten beendete den wertvollen, informativen – und für manche sicherlich auch aufwühlenden – Digitaltag. Für die meisten Beteiligten war das vermutlich der Anfang eines bewussteren Umgangs in Sachen Medienerziehung. Das wäre jedenfalls ein wesentlicher Präventions-Beitrag und unserem Nachwuchs sehr zu wünschen.
5 wichtige Tipps für Eltern:
- Interessieren Sie sich für die Apps Ihrer Kinder!
- Bestimmen Sie WLAN-/Bildschirm-Zeitkontingente!
- Schaffen Sie bildschirmfrei Alternativen!
- Halten Sie nachts alle Internetgeräte aus Kinderzimmern fern!
- Sei Sie selbst ein Vorbild in Sachen Mediennutzung!